Durchs Toilettenfenster heimlichzu den heißen Streifen |
Jugendliche nutzten früher jede Gelegenheit, um ins Elsdorfer Kino zu kommen – Im Hinterhof wurden Fahrräder bewacht – Hausgemachter Donner zur Stummfilmzeit |
ELSDORF. Luis Trenkers „Kampf um das Matterhorn“ fesselte die Besucher ebenso wie Max Schmelings Weltmeisterschaftsfight gegen Joe Louis. Die ersten Tonfilme waren in Elsdorf auf der Leinwand zu sehen, und Münchhausens Abenteuer eröffneten im Elsdorfer „Union-Service-Kino“ die Ära des Farbfilms.1916 war das Filmtheater als „Kaiserlichtspiele Elsdorf“ gegründet worden. Es zählt zu den ersten Kinos im Erftkreis.Eigentlich war der „Rheinische Hof“ an der Köln-Aachener Straße bis 1916 ein Tanzsaal gewesen, wo die Dorfjugend ihre Feste feierte. Doch der damalige Inhaber Jakob Bodewig, der sich auch als Vertreter von „Orangenfeuer“, einem „Fruchtsaftgetränk“, im Ort einen Namen gemacht hatte, kam auf die Idee, es den Großstädten nachzumachen und seinen Besuchern mit Hilfe der neuen Kinoprojektoren „laufende Bilder“ zu präsentieren.Damals – in der Zeit des Stummfilms – begleitete Jakob Bodewig die Filme musikalisch auf dem Klavier, während einer der beiden Söhne den Projektor abspulte und der andere Geräusche machte; Donnergrollen etwa oder prasselnde Regentropfen.Besonders interessierten die Besucher in der Zeit des Ersten Weltkrieges die Kriegsereignisse, doch – so eine Annonce in der Bergheimer Zeitung im April 1918 – war auch schon ein „spannendes Detektivdrama in vier Akten“ oder „ein köstliches Lustspiel“ mit Filmstar Asta Nielsen zu sehen.In den 30er Jahren pilgerten aus nah und fern regelmäßig Hunderte von Besuchern zu den Kinovorführungen nach Elsdorf. „Denn hier“, so erinnert sich der Nachbar Heinrich Schwartz, „waren fast zeitgleich mit den Großstädten schon die neuesten Filme zu sehen, die ansonsten auf dem Land noch nicht gespielt wurden“. Eine Fahrradwache im Hinterhof, die von Edmund Schiffer geführt wurde, sorgte dafür, daß den Besuchern während der Vorführungen nicht ihr „Drahtesel“ abhanden kam. Die Dorfjugend verschaffte sich bei nicht jugendfreien Filmen auch schon einmal heimlichen Zugang durchs Toilettenfenster.
Bis 1938 wurde in dem Kino auch noch getanzt, doch der Zulauf zu den Filmvorführungen wurde immer größer. Zwischen 50 Pfennig und 1,20 Mark lagen die Eintrittspreise, von denen auch die Gemeinde ihren Teil abbekam. „Das „Union-Theater“, so weiß Schwartz, „war nach der Zuckerfabrik zweitgrößter Steuerzahler im Ort.“ Bodewig baute 1938 den Saal zu einem reinen Kino mit separatem Eingang, Zentralheizung, Loge und ansteigenden, hochklappbaren Sitzen um. Nach dem zweiten Umbau in den 50er Jahren übernahm Bodewigs Tochter Christel Scharwei das Kino, das mittlerweile über mehrere Eigentümer in den Besitz von Annemarie und Helmut Burmeister gekommen war. Sie feierten den 75. Geburtstag am 19 Dezember 1991, 11.00 Uhr, mit einer Matinee. In deutscher Erstaufführung wurde der Streifen „Hot Shots“ gezeigt. Drei Wochen lang wurde die Startkopie gespielt – zeitgleich mit den großen Kinos in den Städten. Annemarie Burmeister: „Wie zu alten Zeiten also.“ Landrat Klaus Lennartz war ebenso unter den Gratulanten, wie Dr. Schlinker vom Filmwirtschaftsverband, Vertreter der Banken, Ortsvorsteher, dem stellvertretenden Bürgermeister, Kinobesitzer aus Kerpen und Berrenrath, sowie Vertreter der Feuerwehr, der DLRG und des ortsansässigen Jugendzentrums. Der erfolgreichste Film in Elsdorf war „Dirty Dancing“, der mit Unterbrechung über fünf Wochen lief. In diesem Jahr war „Der mit dem Wolf tanzt“ der Kassenschlager. Das „Union-Service-Kino“ ist ein Familienbetrieb, in dem auch die Gäste als Familienmitglieder behandelt werden. In Elsdorf soll der Kunde noch König sein, das Kino wieder ein Erlebnis. Seit 75 Jahren ist die Telefonnummer die gleiche geblieben. Zur 57 kam in den Jahren erst eine 2, später dann eine 3 davor. Wer also wissen will, was gespielt wird, wähle 32 57. |